Im zweiten Teil meines Saisonrückblicks schaue ich auf die Rückrunde zurück. Diese wird vielleicht als die ungewöhnlichste ihrer Art in die Geschichte der Bundesliga eingehen und brachte dennoch sportliche Leistungen unserer Borussia mit sich, an die wir uns noch lange zurückerinnern dürften!
Der Rückrundenstart hielt für Borussia am 17.Januar ein Auswärtsspiel auf Schalke bereit. Dieses Spiel zählt definitiv nicht zu denen, an die wir uns noch lange gerne zurückerinnern werden. In der Nachbetrachtung scheint es fast so als sei die Mannschaft der geladene Gast auf dem fußballerischem Junggesellenabschied der Blau-Weißen gewesen. Jedenfalls kam die junge Schalker Mannschaft nach dem verdienten 2:0-Sieg gegen unsere Truppe in jedem der folgenden Spiele bestenfalls wie eine Ü40-Mannschaft daher. Immerhin verhalfen wir den Schalkern so noch zum ersten und bislang einzigen Sieg im Jahr 2020, ist ja auch was…
Glücklicherweise zeigte die Mannschaft eine umgehende Reaktion und schlug Mainz im folgenden Heimspiel. Hierbei stimmte die Nordkurve zum aller ersten Mal den „Allez allez allez“ Fangesang an, der die Mannschaft die gesamte Saison über verfolgen sollte. Auch in Leipzig knallte dieser ordentlich und Borussia zeigte eine überragende Leistung, die leider „nur“ mit einem Punkt belohnt wurde. An die Art und Weise wie die Mannschaft den bis dato amtierenden Spitzenreiter in der ersten Halbzeit dominierte, dürften alle Borussen allerdings auch heute noch gerne zurückdenken.
Nur eine Woche später sollte im Borussia-Park dann das Derby gegen die Domstädter steigen. Sturmtief „Sabine“, von dem alle dachten, dass es die größte und einzige „Katastrophe“ im Jahr 2020 bliebe, machte uns allerdings allen einen Strich durch die Rechnung. Borussia zeigte sich von der unfreiwilligen Pause jedoch ziemlich unbeeindruckt und fegte eine Woche später die Fortuna aus Düsseldorf auswärts weg. Es folgte ein unglückliches Unentschieden gegen Hoffenheim, was uns allen hauptsächlich durch die zahlreichen Unterbrechungen, verursacht durch Videobeweise und Plakate in der Nordkurve, in Erinnerung geblieben sein dürfte.
Über Fußballdeutschland rollte daraufhin eine regelrechte Welle der Empörung über die Plakate und Spruchbänder in den Fankurven. Als die Diskussion sich zwei Wochen später in der Öffentlichkeit etwas beruhigte und die Fanszenen sich mit – zweifelsfrei gemäßigteren und sachlicheren – Spruchbändern tatsächlich etwas Gehör verschaffen konnten, beendete die Unterbrechung des Spielbetriebs jegliche Ambitionen des (meines Erachtens in der Sache angebrachten) Protestes.
Borussia konnte hingegen den eigenen (sportlichen) Ambitionen Ende Februar nochmal Ausdruck verleihen. Zur selben Zeit, zu der Dietmar Hopp und Karl-Heinz Rummenigge in Sinsheim für einen „historischen“ Moment sorgten, der – kein Witz – vor kurzem von der Boulevardpresse glatt zur „Geste des Jahres“ gekürt wurde, gewann Borussia das erste Mal seit einer gefühlten Ewigkeit wieder in Augsburg. Eine kleinere Abordnung der Festung blieb dabei sogar über das ganze Wochenende im bayrischen Teil Schwabens und hatte so die Gelegenheit das Augsburger Nachtleben einmal ganz genau unter die Lupe zu nehmen, wodurch im Nachgang die ein oder andere witzige Geschichte entstehen sollte. Auch die Mannschaft hätte einen Ausflug ins Nachtleben nach dem 3:2-Arbeitssieg in der Fuggerstadt definitiv verdient gehabt. Der Sieg weckte wieder neue Träume in uns allen. Sollte man im nächsten Spiel Dortmund schlagen, schien nach oben vielleicht sogar wirklich was zu gehen…
Leider blieb es beim Konjunktiv und das letzte Borussia-Spiel unter „normalen“ Umständen ging unglücklich mit 1:2 verloren. Ausgerechnet gegen den BVB verlor Borussia in dieser Saison also drei von drei Pflichtspielen. Ärgerlich ist das vor allem, weil jedes dieser Spiele auf absoluter Augenhöhe geführt wurde und einzig durch Pech (und teilweise Unvermögen) entschieden wurde. Es bleibt zu hoffen, dass uns in der kommenden Saison auch mal wieder ein Sieg gegen den BVB gelingt, auch wenn ein solcher vor ausverkauftem Haus sicherlich am schönsten wäre. In der Nachbetrachtung stellte unsere Busfahrt an diesem Tag gewissermaßen jedoch trotzdem einen würdigen Abschluss dar. Schon das Derby am darauffolgenden Mittwoch, auf das wir uns wochenlang freuten, musste unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgetragen werden. Das seltsame Spiel gewann unsere Borussia immerhin mit 2:1.
Der folgende „Lockdown“ und die damit verbundene Einstellung des Spielbetriebs stellten auch unseren Fanclub vor Herausforderungen. Die Stornierung der bereits gebuchten Auswärtstouren sorgte da noch für vergleichsweise kleinere Probleme. Anders sah dies bei der Frage nach der Rückerstattung der Karten aus, die in Vorstandskreisen für die eine oder andere Diskussion sorgte. Nicht zu vergessen sind auch die selbstverständlichen Absagen diverser Veranstaltungen, wie unserer Jahreshauptversammlung, Schwarz-Weiß-Grün Donnerstag oder nicht zuletzt der Jubiläumsfeier von Borussenpower Siegerland, die im Juni hätte steigen sollen. Man kann es kaum erwarten, dass die Pandemielage ein Nachholen dieser Veranstaltungen zulässt.
Vor allem dürfte sich bei den meisten jedoch das Fehlen des Fanclublebens bemerkbar gemacht haben. Gerade vor dem Hintergrund der teils immensen persönlichen Belastungen und Folgen der Corona-Pandemie, fehlte uns allen sicherlich die Gemeinschaft, der Zusammenhalt und die Ablenkung vom Alltag, die Vereine – wie unser Fanclub – so mit sich bringen.
Bei einigen Festungsmitgliedern ging die Sehnsucht nach Borussia sogar soweit, dass der Borussia-Park kurzerhand zum Ziel einer Fahrrad-Tour gemacht wurde! Kann man mal so machen!
Während unser Fanclubleben also ruhen musste und unsere Mitglieder sich andere Beschäftigungen suchten, machten sich die hochrangigen DFB-Funktionäre Gedanken über die Rückkehr zum Spielbetrieb. Dass diese Maßnahme für die allermeisten Vereine auch dringend notwendig war und der Spielbetrieb letzten Endes wohl einzig und allein aus finanziellen Gründen wieder aufgenommen wurde, verdeutlicht noch einmal wie „krank“ das Geschäft Profifußball wirklich ist.
Trotz dieser Gewissheit und der ungewohnten Umstände waren aber irgendwie die meisten wahrscheinlich doch mehr als froh, als Borussia am 16.Mai wieder ein Ligaspiel bestritt. Ganz ohne Fußball und vor allem ohne Borussia geht es halt dann auch nicht! Und auch wenn man sich an die „Geisteratmosphäre“ nicht so richtig gewöhne wollte, tat Borussia an diesem Samstagabend in Frankfurt alles, um das Spiel so ansehnlich wie möglich zu gestalten. Schon früh lag die Truppe von Marco Rose mit 2:0 in Führung und gewann letztlich souverän mit 3:1.
Der neuen Euphorie, die die Mannschaft mit ihrer erfrischenden Spielweise in Frankfurt noch hervorrufen konnte, folgte die plötzliche Ernüchterung mit einer 1:3-Niederlage gegen Mitkonkurrent Leverkusen. Auch das folgende 0:0 beim Kellerkind aus Bremen wusste nicht wirklich zu überzeugen. Es zeichnete sich hier bereits ab, dass das Rennen um die Champions-League-Plätze ein sehr enges werden würde. Zu unserem Glück bekleckerte sich auch die Werkself aus Leverkusen nicht immer mit Ruhm und wusste den Sieg im Borussia-Park nicht wirklich zu nutzen.
Borussia fuhr dagegen noch einen 4:1-Pflichtsieg gegen Union Berlin ein, bei dem Marcus Thuram mit seinem Niederknien nach dem Treffer zum 2:0 und der damit verbundenen Botschaft gegen Rassismus und Diskriminierung für meine persönliche „Geste des Jahres“ sorgte.
Dass auch Geisterspiele keinen Fluch aufheben können, zeigte der folgende Spieltag mit dem Spiel in Freiburg, welches Borussia in gewohnter Manier mit 0:1 verlor. Wann ziehen die Freiburger eigentlich endlich mal in ihr neues Stadion?
Nach der unglücklichen, wie auch vermeidbaren Niederlage in München, schien die Champions League erstmal in weite Ferne gerückt zu sein. Nach Möglichkeit musste Borussia die letzten drei Spiele allesamt gewinnen und auf Patzer der Konkurrenz hoffen. Angesichts der immer dünner werdenden Personaldecke gab es sicherlich günstigere Ausgangslagen.
Heute wissen wir, dass die Mannschaft ihre geringe Chance irgendwie nutzen konnte. Zu verdanken war dies, neben den Patzern der Leverkusener, vor allem dem starken Schlussspurt mit der maximalen Ausbeute von neun Punkten aus den letzten drei Spielen. Erstaunlich war dabei vor allem, dass die Mannschaft auch das Verletzungspech ohne spürbare Qualitätsverluste auffangen konnte. In den letzten Jahren waren Verletzungen des Stammpersonals oft ein „Knackpunkt“ und ausschlaggebend für schwächere Leistungen zum Ende der Saison. In diesem Jahr allerdings gelang es, selbst die Ausfälle der Top-Scorer zu kompensieren, indem sich plötzlich andere Spieler (beispielsweise Hofmann, Herrmann oder Stindl) in den Vordergrund drängten. Diese neu gewonnene Qualität kann man mit Sicherheit gar nicht hoch genug bewerten und könnte uns in den kommenden Jahren noch viel nützlicher sein.
Die erreichte Qualifikation für die Champions League ist ein absolut großartiger Erfolg für den Verein, der uns alle rundum zufrieden stellen kann und optimistisch nach vorne schauen lässt. Diesen Blick nach vorne möchte ich dann nächste Woche im dritten und letzten Teil meines „kleinen“ Rückblicks wagen. Lott jonn und ein schönes Wochenende!