Blau-weiße Wochen! Was sich zunächst wie die Werbung eines Billig-Discounters zum Oktoberfest anhört, lässt sich in diesen Tagen auch gut auf den Saisonstart unserer Borussia übertragen. Nach dem gelungenen Auftakt gegen die TSG Hoffenheim, wartete nun mit Schalke 04 die nächste blau-weiße Aufgabe auf die Elf von Trainer Daniel Farke. Während ich dem Heimspiel gegen die Kraichgauer in der vergangenen Woche nicht beiwohnen konnte, stellte das Auswärtsspiel im Ruhrgebiet nun meinen persönlichen Saisonstart dar. Ein Abendspiel beim Aufsteiger in einer stimmungsvollen und ausverkauften Arena – das Fußballherz hat schon schlechtere Auftaktspiele erleben müssen!
Die Meinungen innerhalb Borussias Fanszene bezüglich des Schalker Wiederaufstieges gehen sicherlich weit auseinander. Während viele Borussen die Rückkehr des Traditionsvereines „aus‘m Pott“ ins Fußball-Oberhaus begrüßen, hätten andere auf den nordrhein-westfälischen Rivalen auch noch ein bisschen verzichten können. Ich persönlich gehöre definitiv zur erstgenannten Fraktion, muss aber gleichzeitig zugeben, dass ich durch zahlreiche freundschaftliche und familiäre Kontakte in die Gelsenkirchener Fanlandschaft auch getrost als „befangen“ bewertet werden kann. Gewusst wie, konnte ich eben diese Kontakte nutzen und sicherte mir kurzerhand meine Mitfahrgelegenheit. Dass ich im blau-weiß besetzten Auto der einzige Mitfahrer „normalen Geschmacks“ war, betrachte ich einfach mal als eine völlig neue Erfahrung, die sich irgendwie auch aushalten ließ.
Die Vorfreude auf die Rückkehr in den Ruhrpott kannte also keine Grenzen und auch die Anzahl an Festungsmitgliedern vor Ort war durchaus stattlich. Zwar ließ die unterschiedliche Kartenzuteilung von Steh- und Sitzplätzen kein einheitliches Treffen zu, jedoch konnte das ein oder andere Mitglied dennoch außerhalb des Stadions erspäht werden. Dass dies meist mal wieder im unmittelbaren Umfeld der Bierstände geschah, spricht nur dafür, dass sich der große Teil auch fleißig an den ärztlichen Rat gegen die Hitze hielt und viel Flüssigkeit zu sich nahm. Weiter so!
„Weiter so“ dürfte auch die Marschrichtung unserer Borussia nach dem erfolgreichen Saisonauftakt der vergangenen Woche gewesen sein. Daniel Farke schickte seine Elf personell unverändert auf den Rasen. Den besseren Start erwischte jedoch zweifelsfrei der Aufsteiger aus Gelsenkirchen. Das Team von Frank Kramer lief Borussias Defensive im Spielaufbau hoch an und eroberte durch ein cleveres Spiel gegen den Ball viele Bälle in der Zentrale. Gerade Youngster Manu Koné, der von den Hausherren offensichtlich (und richtigerweise) als das „Herz“ des Borussia-Spiels ausgemacht worden war, bekam die Schalker Zweikampfhärte immer wieder zu spüren. Die Königsblauen erarbeiteten sich nach und nach erste „Halbchancen“ und näherten sich dem Tor von Yann Sommer an. Wie schon gegen Hoffenheim fand Borussia aber auch heute mit zunehmender Spieldauer ins Spiel. Mehreren recht gefälligen Angriffen fehlte noch die letzte Präzision, sodass die erste Hälfte torlos dem Ende entgegenging. Doch mitten in diese Phase offenbarte sich dem Schalker Aufstiegshelden Rodrigo Zalazar plötzlich ein enormer Raum im Gladbacher Mittelfeld. Der Uruguayer ließ sich nicht zweimal bitten und versenkte den Ball – leicht abgefälscht – mit einem Flachschuss im Kasten von Yann Sommer, der zu allem Überfluss auch noch etwas unglücklich aussah. Allein diese Szene dürfte Coach Daniel Farke und seinem Team ordentlich Material für die nächste Videoanalyse geliefert haben.
Mit dem knappen Rückstand ging es somit in die Halbzeitpause, die für den Auswärtsblock nochmal die Möglichkeit eröffnete, dem bereits angesprochenen ärztlichen Rat nachzukommen. Schlangen am Getränkestand in der Halbzeitpause sind ja durchaus nicht ungewöhnlich und enorme Wartezeiten, die auch mal über die Dauer der Pause hinausgehen, müssen nun einmal eingeplant werden. Dass es an manchen Verkaufsstellen im Stadion ausschließlich Bier gibt, finde ich ebenfalls prinzipiell begrüßenswert. Dass Bundesligisten einem ausverkauften Stehblock bei enorm hohen Außentemperaturen aber nur einen Getränkestand und einen behelfsweise aufgestellten mobilen Bierwagen anbieten, verwundert mich dann aber immer wieder aufs Neue. Nur zu gerne würde ich die Planung der Getränkeangebote in einem Stadion mal miterleben…
Nun ja, ob mit oder ohne Flüssigkeitsaufnahme, es musste ja irgendwie in Halbzeit zwei gehen. Und nicht nur das: Irgendwie musste ja auch dieser unsägliche Rückstand aufgeholt werden. Borussia löste sich nun immer besser aus dem Schalker Pressing, tat sich allerdings weiterhin schwer, die Lücke in der Schalker Defensive zu finden und so musste sich der Gästeblock etwas in Geduld üben. In der 72.Spielminute wurden alle Mühen dann aber belohnt, als ein Steckpass von Marcus Thuram per Hacke bei Jonas Hofmann landete. Der Nationalspieler setzte sich mit etwas Glück gegen Alex Král durch und schloss den Angriff mustergültig ab. Der mittlerweile verdiente Ausgleich gab den Borussen auf und neben dem Platz nochmal zusätzlichen Auftrieb. Der Gästeblock peitschte die Mannschaft nach vorne und so dauerte es nur sechs weitere Minuten bis Marcus Thuram mit freundlicher Unterstützung von Schalke-Keeper Alexander Schwolow zur Führung einnetzte. Nun kannte der Gästeblock erst recht kein Halten mehr. „Allez, allez, allez…“ knallte ganz ordentlich und ließ die Schlussphase schnell vergehen. Zwar agierten die Hausherren nun mit dem viel zitierten Mute der Verzweiflung, konnten Borussias Defensive jedoch nicht ernsthaft in Bedrängnis bringen. Insbesondere Neuzugang Ko Itakura stach an alter Wirkungsstätte hervor und beeindruckte durch enorme Zweikampfstärke und sein nahezu perfektes Kopfballspiel. Aber auch seine laufstarke Energieleistung, mit der der Japaner nicht nur die Schalker Angriffe unterband, sondern gleich Gegenangriffe einzuleiten versuchte, soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben.
Ich ertappte mich bei der gedanklichen Frage, wie genau die Hausherren hier eigentlich noch ein Tor schießen wollten. Eher würde Borussia noch das Dritte nachlegen und den Gästeblock endgültig zum Durchdrehen bringen. Kaum, dass ich mir die Frage gestellt hatte, überkam mich ein mulmiges Gefühl. Ich verzichtete noch darauf meine Gedanken laut auszusprechen, doch es war schon zu spät. Als Sven Jablonski in der letzten Minute der Nachspielzeit den Weg zum Videobildschirm an der Seitenlinie beschritt, konnte ich mir schon denken, was uns nun blühte. Dass Patrick Hermann eine Freistoßflanke von Thomas Ouwejan in „Superman-Manier“ zu klären versuchte und dabei kurz vom Fußballer zum Faustballer wurde, war von unserer Position nicht gut zu erkennen, nach der ersten „Videoanalyse“ im Block aber dann doch recht deutlich. Marius Bülter ließ sich die Chance nicht nehmen und verwandelte den berechtigten Elfmeter trocken zum Ausgleich in letzter Sekunde. Der Jubel im Schalker Rund kannte keine Grenzen mehr und wird mir aufgrund der enormen Lautstärke noch ein bisschen in Erinnerung bleiben. Viel Spielzeit war nicht mehr auf der Uhr und so pfiff Sven Jablonski die Partie unmittelbar nach dem Anstoß ab.
Trotz des unglücklichen Endes bedachte der Gästeblock die Spieler mit einem verdienten Applaus. Überhaupt wusste der Auswärtsauftritt der Borussia-Fans durchaus zu überzeugen. Eine Aufteilung der aktiven Fanszene in Ober- und Unterrang zahlte sich stimmungsmäßig ordentlich aus und insbesondere der VfL-Wechselgesang dürfte einen guten Eindruck in Gelsenkirchen hinterlassen haben. Auch die Schalker Nordkurve hatte ihre lautstarken Momente, gefiel mir bei den letzten Gastspielen unserer Borussia aber auch schon einmal besser. Die zu Spielbeginn gezeigte Choreografie gab ein absolut stimmiges und dem Rahmen angemessenes Bild ab und wird mir so noch ein bisschen in besonderer Erinnerung bleiben. Lautstark stimmte die Schalker Nordkurve ihre Mannschaft nach Abpfiff auf die weitere Saison ein und die anschließende Feier erweckte fast den Eindruck, die Königsblauen hätten gerade mehr erreicht als „nur“ einen Punkt in der Nachspielzeit.
Die Einordnung des Spiels auf Borussia-Seite wurde am Bierstand (auch nach dem Spiel muss der ärztliche Rat befolgt werden!) unter den Anwesenden noch etwas diskutiert. So richtig einig wurde man sich letzten Endes nicht. Ein weiterer Schritt in die richtige Richtung? Mag sein, denn immerhin konnte Borussia erneut einen Rückstand drehen und den Sieg verhinderte einzig ein individueller Aussetzer in den letzten Sekunden. Oder ist im Borussia-Getriebe doch noch eine Menge Sand drin? Auch gut möglich, denn auch gegen einen auf dem Papier unterlegenen Konkurrenten geriet man zunächst in Rückstand, trat kaum einmal dominant auf und verpasste letztendlich einen schon sicher geglaubten Sieg.
Die Wahrheit wird sich wohl in den nächsten Wochen zeigen und voreilige Schlüsse verbieten sich eigentlich ganz automatisch. Spielerische Ansätze und taktische Variabilität sind in der Mannschaft zu erkennen, die Mentalität scheint erstmal zu stimmen. Gleichzeitig bleibt noch eine Menge der viel zitierten „Luft nach oben“ und insbesondere darf man gespannt sein, wie sich die Mannschaft mit ihrem neu gewonnenen Spielstil gegen die Top-Teams der Liga präsentieren wird.
Zunächst wartet nun mit Hertha BSC allerdings die nächste blau-weiße Aufgabe, die – bei allem Respekt – wohl nicht in die Kategorie der „Top-Teams“ eingeordnet werden kann. Gerade wenn man bedenkt, dass der Spielplan uns anschließend zum derzeit wieder einmal groß aufspielenden Rekordmeister nach München führt, sollte ein Sieg gegen die Hertha das absolute Ziel für Borussia sein! Die Alte Dame konnte sich nach dem verpatzten Stadtderby zuletzt wieder vorsichtig rehabilitieren und immerhin einen Punkt gegen Eintracht Frankfurt mitnehmen. Nun dürften die Hauptstädter besonders bestrebt sein, den ersten Saisonsieg einzufahren. Die Mannschaft von Daniel Farke sollte das jedoch zu verhindern wissen und so ist die Aufgabe für den Freitagabend eindeutig:
Alles auf Heimsieg! Wir sehen uns im Stadion!