Vollauslastung in deutschen Stadien. Wie lange hatten wir diesen Moment seit Beginn der Pandemie im März 2020 herbeigesehnt? Und nach etwas mehr als zwei Jahren fand das lange Warten aller Borussia-Fans auch sein verdientes Ende. Zugegeben: Es hätte sicherlich würdigere Umstände gegeben als einen nasskalten Sonntagabend im April. Dass der Gegner FSV Mainz 05 hieß, machte die Sache – ohne arrogant oder gar despektierlich klingen zu wollen – nicht gerade viel attraktiver. Aber nach zwei Jahren mehr oder weniger gänzlicher Abstinenz nimmt man als Borussia-Fan dann nun einmal alles mit, was man so kriegen kann und entwickelt selbst für ein Spiel unter vergleichsweise unattraktiven Rahmenbedingungen eine enorme Vorfreude.
Dabei hatte ich selbst mich eigentlich schon ganz gut damit abgefunden, dem Spiel nicht beiwohnen zu können. Dass der plötzliche Wintereinbruch von Freitag auf Samstag dem Siegerländer Amateurfußball ein ungewollt freies Wochenende verschaffte, ebnete mir den Weg in den Borussia-Park dann doch unverhofft. An meiner persönlichen Vorfreude änderte die spontane Planung nichts und da der Wintereinbruch sich am Sonntag nicht fortsetzte, stand einem gelungenen Fußballsonntag eigentlich nicht allzu viel im Wege.
Auch die sportlichen Vorzeichen der Begegnung sprachen eher für die Borussia. Der dritte Sieg in Folge schien gegen auswärtsschwache, aber nicht zu unterschätzende Mainzer im Bereich des Machbaren zu liegen und würde gleichzeitig einen gewaltigen Schritt in Richtung Klassenerhalt darstellen. Ähnlich sahen dies auch allerhand Festungsmitglieder und weitere bekannte Gesichter, unter denen sich vor dem Anpfiff ein vorsichtiger Optimismus breit machte. Diesen Optimismus teilte auch die Pokalsiegermannschaft aus dem Jahre 1995, die vor dem Spiel auf dem Rasen noch einmal gesondert vorgestellt und begrüßt wurde. Äußerst schade allerdings, dass Heiko Herrlich am Stadionmikrofon nicht zu Wort kam; schließlich “begrüßte” der Borussia-Park ihn noch einmal besonders “nett”. Wer hätte das geahnt? 😉
Im Gegensatz zu Heiko Herrlich konnten immerhin Adi Hütter und seine Elf auf einen organisierten Support der Nordkurve zählen. Diese machte vor dem Spiel vor allem mittels Fahnen und Doppelhaltern auf sich aufmerksam. Das überdimensionale Banner zwischen Ober- und Unterrang mit der Aufschrift “Fußball lebt durch seine Fans” rundete das Bild ab und sorgte optisch für den passenden Rahmen.
Akustisch begann die Nordkurve etwas zerfahren und passte sich damit der Mannschaft auf dem Platz an. Nach einer Anfangsphase mit vielen Fehlpässen und Ungenauigkeiten im Spiel beider Mannschaften, gewann Borussia mit zunehmender Spieldauer in der ersten Hälfte ein spielerisches Übergewicht. Parallel hierzu wurde auch die Nordkurve immer lauter und so belohnte sich Borussia nach 33 Minuten für die Überlegenheit. Breel Embolo schloss eine tolle Kombination über mehrere Stationen überlegt ab und ließ die knapp 44.000 Zuschauer (abzüglich 500 Mainzer im Gästeblock) jubeln. Nur kurze Zeit später hätte abermals Breel Embolo die Führung sogar erhöhen können, rutschte im Strafraum der Mainzer jedoch aus und konnte den Abschluss so nicht mehr richtig platzieren.
Die knappe, aber verdiente Pausenführung für Borussia veranlasste Ex-Borusse und Mainz-Trainer Bo Svensson zur personellen und taktischen Umstellung, die sich bezahlt machen sollte. Es mag etwas polemisch klingen, scheint mir aber auch mit etwas Abstand gar nicht mal abwegig: Hätte Adi Hütter in der zweiten Hälfte statt seiner Elf die anwesende und etwas in die Jahre gekommene Pokalsiegermannschaft aus 1995 auf den Rasen geschickt (meinetwegen auch inklusive Heiko Herrlich) – es hätte wohl kaum schlechter ausgesehen…
Borussia hatte den nun offensiver auftretenden Gästen aus der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt nun kaum mehr was entgegenzusetzen. Nachdem Yann Sommer die Führung mit teilweise nicht für möglich gehaltenen Paraden lange Zeit quasi im Alleingang verteidigte, fanden weite Teile seiner Mitspieler im zweiten Durchgang praktisch nicht statt. Da die Gäste Borussia mit zunehmender Spieldauer immer mehr in die Defensive pressten, schien der Ausgleichstreffer nur eine Frage der Zeit zu sein. Der Österreicher Karim Onisiwo beantwortete diese Frage nach 74 Minuten und besorgte den längst überfälligen Ausgleich. Wer nun einen Weckruf der Borussia erwartete, sah sich getäuscht. Weiterhin beschäftigte die Mainzer Offensive, allen voran der deutsche U21-Nationalspieler Jonathan Burkhardt, die Gladbacher Hintermannschaft unheimlich. Ein ums andere Mal verhinderte Yann Sommer Schlimmeres und krönte sich – trotz Wintereinbruch – wieder einmal vollkommen verdient zum Spieler des Tages. Der Zusatz “wieder einmal” zeigt zwar, dass Borussia sich auf der Torhüterposition erstmal keine Sorgen machen muss, spricht aber gleichzeitig eine eindeutige Sprache gegen die weiteren Teile der Mannschaft. Dass Borussia es auch heute über eine gesamte Halbzeit nicht schaffte, auf taktische Umstellungen des Gegners adäquat reagieren zu können, müssen sich Mannschaft und vor allem auch das Trainerteam entsprechend ankreiden. Der Optimismus, dass den Worten nach dem Spiel (“die richtigen Schlüsse ziehen”, “hart arbeiten”, “auf der ersten Hälfte aufbauen”) Taten folgen, ist nach dem bisherigen Saisonverlauf recht begrenzt.
Die “Nicht-Leistung” der Mannschaft spiegelte sich leider auch lange Zeit in der Nordkurve und so blieb auch diese in der zweiten Hälfte hinter den Erwartungen zurück. Etwas besser machte es da der Gästeblock, der trotz zahlenmäßig klarer Unterlegenheit zeitweise sogar das akustische Übergewicht im Borussia-Park gewinnen konnte. Das erste Spiel unter “normalen” Bedingungen dürften sich viele Borussen gänzlich anders vorgestellt haben. Trotz berechtigter Enttäuschung bedachte die Nordkurve die Mannschaft nach Abpfiff mit (verhaltenem) Applaus, der jedoch vorrangig der Einstimmung auf die kommenden Wochen gedient haben dürfte. So gilt es für Borussia nun zunächst die sportliche Pflichtaufgabe beim abgeschlagenen Tabellenletzten aus Fürth seriös zu lösen, bevor mit dem Derby gegen K*ln das absolute Highlight der Saison wartet! Zwei Siege aus zwei Spielen – anders kann die Devise für die nächsten Wochen gar nicht lauten. Vor allem im Spiel gegen den ungeliebten rheinischen Rivalen hat die Mannschaft nochmal die Chance, verspielte Sympathien zurückzugewinnen. Möglich ist dies nur mit einer hochrangigen Leistungssteigerung. Eine ähnliche Leistung wie in der zweiten Halbzeit wird sich Borussia weder in Fürth und schon gar nicht im Derby erlauben können.
Selbiges gilt allerdings auch ausdrücklich für uns Fans! Wir sollten nun noch einmal zumindest für zwei Wochen alle Eitelkeiten und (berechtigten) Meckereien über Mannschaft, Trainer und Verantwortliche “zur Seite schieben” und spätestens am Osterwochenende ein geschlossenes Bild abgeben! Strafft euch nochmal – zunächst in Fürth und dann im Derby.
Sechs Punkte aus zwei Spielen – Vollgas für Borussia!