Eine Busfahrt zwischen Himmel und Hölle

Ich gebe es zu: Ganz bewusst habe ich mir diesmal etwas länger Zeit für diesen Bericht gelassen. Hätte ich diese Zeilen unmittelbar nach dem Spiel geschrieben, hätten wir uns wohl ernsthaft Gedanken über eine Alterssperre auf unserer Homepage machen müssen. Und auch nach wie vor ist die Enttäuschung und die Wut über die “Leistung” der Borussia-Spieler im prestigeträchtigen Derby riesig. Zu sehr schmerzt es dann doch, 90 Minuten lang mit ansehen zu müssen, wie eine völlig überforderte Gladbacher Elf (ich meide bewusst das Wort “Mannschaft”) vom unliebsamen Rivalen aus der Domstadt im eigenen Stadion vorgeführt wird. Dass man dem K*lner Gästeanhang spätestens nach 20 Minuten auch akustisch das Feld überlassen musste, war aufgrund des Spielstandes nur logisch, setzte dem Samstagabend im ausverkauften (!) Borussia-Park allerdings die sprichwörtliche Krone auf.

An dieser Stelle könnte man noch weiter auf die wohl längsten 90 Minuten in meinem Leben eingehen, jedoch würde ich mich wohl aussichtslos in einer regelrechten Schimpftirade verlaufen. Ich möchte mich daher in den folgenden Zeilen den – trotz des Spielverlaufes – ohne Zweifel vorhandenen positiven Aspekten des Karsamstags zuwenden:

Und da thront über allem die erste gemeinsame Fahrt unserer Festung seit März 2020. Die seit Anfang April in großen Schritten fortschreitende Lockerung der pandemiebedingten Einschränkungen ermöglichte uns endlich wieder eine ordentliche Busfahrt. Wochenlange Vorfreude auf die Tour war bei allen Beteiligten spürbar und so durfte es keinen wirklich verwundern, dass der Bus fast bis zum letzten Platz gefüllt war. Die Frage nach der Stimmung, der Ausgelassenheit und dem Durst auf der Hinfahrt stellt sich wohl gar nicht erst. Während Bier, Sekt und Weinschorle den Insassen wie gewohnt gut schmeckten, wurde feuchtfröhlich zur Musik von DJ Patty “gesungen”. Die gelungene Songauswahl wurde prompt belohnt und so bleibt der 16.04.2022 wohl vorrangig als der offizielle Gründungstag des “Patty-Fanclubs” in Erinnerung. Selbiger ließ sich nicht zweimal bitten und verteilte prompt fleißig Autogramme.

Die auf die Hinfahrt folgenden 90 Minuten geben ernsthaft Anlass dazu, an einer ähnlich ausgelassenen Stimmung auf der Rückfahrt zu zweifeln. Doch abgesehen von einigen wenigen, denen der Spielverlauf gehörig die Laune vermasselt hatte (zugegeben: zu dieser Minderheit gehörte auch meine Wenigkeit), können sich alle Zweifler an dieser Stelle gehörig getäuscht sehen. Denn die Festungsmitglieder stellten selbst nach zwei Jahren Zwangspause wieder eindrucksvoll unter Beweis, dass man auch über zwei Hälften die volle Leistung abrufen kann. Eine Eigenschaft, von der sich Borussias Profis vielleicht auch mal eine Scheibe abschneiden könnten… Streng nach dem Motto “Jetzt erst recht” machte sich die gesamte Belegschaft des Reisebusses auf der Rückfahrt über die Vorräte des Schelder Rieslings her. Wenig verwunderlich, dass eben diese Vorräte mit steigender Fahrtdauer immer weniger wurden und am langen Ende sogar (fast?) aufgebraucht waren. Ähnlich wie bei Roland Virkus und Adi Hütter sollte es daher wohl auch in der Borussenfestung in der nahenden Sommerpause darum gehen “sich mal in Ruhe zusammenzusetzen, sich gegenseitig tief in die Augen zu schauen und absolut offen über alles (sprich: die Getränkeplanung) zu sprechen”. 😉

Spaß beiseite: Abgesehen von knapp zwei elendigen Stunden im Borussia-Park stand am Ende des Karsamstages endlich mal wieder eine ausgelassene Busfahrt, die gewissermaßen sinnbildlich für die aktuelle Situation rund um Borussia stehen kann. Aktuell stehen elf Spieler auf dem Platz stehen, die den Namen “Mannschaft” nicht verdienen. Einige Spieler möchte ich persönlich am liebsten nicht mehr im Borussia-Trikot sehen. Auch die sportliche Zukunft unseres Vereins steht ein Stück weit am Scheideweg und in der Führungsetage sollten schon seit längerer Zeit sämtliche Alarmglocken schrillen. Das alles sind aus meiner Sicht keine Übertreibungen, sondern nicht zu ignorierende Fakten. Doch auch wenn es ausgelutscht klingen mag: Das was am Ende bleibt, sind wir Fans. Zwei Jahre lang mussten wir auf gemeinsame Fahrten, gemeinschaftliche Siegesfeiern und Frustbekämpfungen verzichten. Dass die Rückkehr all dieser Dinge mit der wohl sportlich schwersten Situation Borussias seit dem Fast-Abstieg 2011 zusammenfällt, ist nicht nur ärgerlich, sondern auf den Punkt gebracht einfach nur zum K*tzen. Letzten Endes geht es uns allen bei Borussia allerdings auch noch um andere, grundsätzliche Dinge, die vom sportlichen Erfolg des Vereines nahezu komplett unabhängig sind. All diese Dinge verkörpert nun einmal unsere Borussenfestung. Eine Busfahrt wie diese an Karsamstag stellt das mal wieder eindrucksvoll unter Beweis. Was sind schon Triumphe, Sieg und Gewinn? Uns gibt die Freundschaft, die Treue, den Sinn.

Aus eben diesen Gründen werde ich – trotz der absolut unsäglichen Terminierung – auch gegen Leipzig im Stadion sein. Zu lange habe ich auf liebgewonnene Gewohnheiten rund um Borussia verzichten müssen und freue mich daher nun umso mehr, bekannte Gesichter im Borussia-Park zu sehen oder das leichte Kribbeln kurz vor Anpfiff zu verspüren. Hinzu kommt die Tatsache, dass ich es den verhassten Domstädtern einfach nicht zugestehen möchte, meine persönliche “Stadion-Saison” mit einer Derbyniederlage beendet zu haben ;-).

Trotz allem: Wir sehen uns im Stadion!

P.S.: Abschließend soll ein ganz besonderer Dank natürlich auch noch an unseren zuverlässigen Busfahrer Achim gehen. Bleibt zu hoffen, dass ihm in Zukunft keiner den Platz streitig machen wird:

Ali am Steuer – Ungeheuer?

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