Resilientes Wiedersehen

Resilienz. Kaum ein Wort hat in den letzten Wochen und Monaten im Umfeld von Borussia so viel Bekanntheit und Beliebtheit erlangt wie dieses. Die Fähigkeit, das eigene Verhalten auch in schwierigen Situationen bestmöglich anzupassen und auf diese Weise optimal und flexibel auf jegliche Herausforderungen reagieren zu können, beschwört Trainer Daniel Farke seit seiner Vorstellung Anfang Juni nahezu Woche für Woche. Dass diese Beschwörung bislang durchaus erfolgreich verläuft, war spätestens klar, als Schiedsrichter Patrick Ittrich das Topspiel gegen das unliebsame Konstrukt abpfiff und damit einen ungefährdeten Borussia-Heimsieg besiegelte.
Eine schwierige Situation, an die Borussia sich kurzfristig anpassen musste, ergab sich bereits Anfang der Woche vor dem Spiel mit den schwerwiegenden Verletzungen von Neuzugang Ko Itakura und Spielgestalter Florian Neuhaus. Beide Ausfälle erforderten tiefgreifende und riskante Umstellungen in Borussias Startelf, auf die man unter normalen Umständen wohl lieber verzichtet hätte.


Hinzu gesellten sich außerdem noch allerhand Nebengeräusche rund um die Rückkehr von Ex-Trainer Marco Rose, der erst eineinhalb Wochen zuvor einen Arbeitsvertrag in Leipzig unterschreiben durfte, und den sich anbahnenden (und mittlerweile auch vollzogenen) Wechsel von Ex-Sportdirektor Max Eberl zum selbigen Konstrukt. Insbesondere letztere Personalie sorgte in den Tagen vor dem Spiel für Unruhe, was vor allem auf den deutlichen Brief des Fanprojektes an den ehemaligen Sportdirektor der Borussia zurückzuführen ist, der in dieser Sache zusätzliches Öl ins Feuer goss. So ergab sich über die ganze Woche eine geradezu explosive Mischung, die am Samstagabend zu detonieren drohte.


Das diesjährige Gastspiel des Konstruktes aus Fuschl am See konnte also mit einer guten Portion Vorfreude und dem gesunden Maß an Anspannung angegangen werden. Dass Daniel Farkes Beschwören der Resilienz vorläufig erfolgreich läuft, zeigte sich – wie so oft – zunächst einmal bei uns Fans. Trotz eines anstrengenden Vorabends schafften wir es am Samstagnachmittag bester Dinge in Richtung Mönchengladbach aufzubrechen und fanden sogar wieder Geschmack an allen möglichen Siegerländer Kaltgetränken. Daniel Farke wäre bestimmt auch auf solch resiliente Verhaltensmuster stolz…. Kritische Situationen auf der Hinfahrt, wie anhaltenden Regen, tierische Zwischenfälle auf der Autobahn oder akute Bierknappheit auf der Rückbank meisterte man regelrecht und erreichte den Borussia-Park überaus pünktlich. Etwas mehr Zeit als sonst verbrachte man diesmal noch vor den Stadiontoren, bevor eine knappe halbe Stunde vor Spielbeginn der bereits gut gefüllte Block geentert werden konnte.


Der Blick auf die Aufstellungen hielt zunächst keine Überraschungen bereit. Ein gemeinsames Auflaufen der Mittelfeldspezialisten um Christoph Kramer, Neuzugang Julian Weigl und Youngster Manu Kone hatte sich durchaus schon abgezeichnet. Die tatsächliche, taktische Darstellung des Borussia-Ensembles sorgte dann jedoch zunächst für einige Fragezeichen. So agierte Christoph Kramer in ungewohnter Spielmacherrolle „auf der Zehn“, während Lars Stindl von Beginn an die linke Seite „beackern“ durfte. Eine durchaus mutige Idee von Daniel Farke, die aber vollends belohnt werden sollte.

Angetrieben von Christoph Kramer in zeitweise erster Pressinglinie startete Borussia gut ins Spiel und verzeichnete allen voran durch Marcus Thuram die ersten Abschlüsse. Bereits nach knapp zwölf gespielten Minuten konnte Nationalspieler Jonas Hofmann einen Abpraller zur 1:0-Führung verwerten, der man zu diesem Zeitpunkt durchaus die Beschreibung „verdient“ zuordnen konnte. Die Gäste aus Fuschl am See, die in den ersten 19 Minuten bei eigenem Ballbesitz mit den bereits bekannten ohrenbetäubenden Pfiffen bedacht wurden, meldeten sich in der Folge auch im Spiel an, scheiterten aber stets an der gut organisierten Gladbacher Defensive und brachten das Gehäuse von Yann Sommer nicht ernsthaft in Bedrängnis. So konnte Borussia recht ungestört zur Schlussoffensive im ersten Durchgang ansetzen und belohnte sich nach starkem Ballgewinn und anschließendem „Zuckerpass“ von Marcus Thuram auf abermals Jonas Hofmann mit dem 2:0. Die Tatsache, dass Borussia bis zum Halbzeitpfiff noch durchaus ein bis zweimal hätte nachlegen können, steht geradezu sinnbildlich für die Überlegenheit, mit der die Mannschaft von Daniel Farke das Spiel gegen die ambitionierten Gäste gestaltete.


Zur Pause reagierte Marco Rose und brachte mit Timo Werner den nächsten Sympathieträger ins Spiel. Von all den Angriffs- und Pressingbemühungen der Gäste zeigte sich Borussia jedoch weitgehend unbeeindruckt und legte nur knappe zehn Minuten nach Wiederbeginn sogar nach. Ramy Bensebaini tauchte nach einem eigentlich schon geklärten Eckball frei vor Peter Gulacsi auf und vollendete gekonnt per Lupfer. Der technisch höchst anspruchsvolle Abschluss hielt einen Hauch Demütigung bereit und ließ wohl alle Borussia-Anhänger eine leise Genugtuung in Richtung Trainerbank verspüren. Borussia verpasste in der Folge noch einige gute Möglichkeiten, gestaltete das weitere Spiel aber höchst souverän und so konnte aus der leisen Genugtuung der Nordkurve dann recht früh vor Abpfiff des Spieles eine lautstarke werden. Der Umstand, dass die Nordkurve sich im Rahmen der Corona-Pandemie nie ordentlich von „ihrem“ Trainer Marco Rose verabschieden und den seinerzeitigen Forderungen Luft machen durfte, konnte nun in einem mehr als angemessenen Rahmen nachgeholt werden. Rose raus!


Die Nordkurve bewies dann allerdings wieder ein richtiges Fingerspitzengefühl und widmete sich der Siegesfeier. Überhaupt war dieses Fingerspitzengefühl über die gesamte Spieldauer zu erkennen und lieferte so eine in sich stimmige Mischung aus dem wichtigen Support der eigenen Mannschaft und den (notwendigen) Protestformen. Die anschließende Feier mit der Mannschaft rundete das stimmungstechnische Gesamtbild vollkommen ab. Über den Gästeanhang hülle ich an dieser Stelle mal getrost den Mantel des Schweigens.


Zurück zum Begriff der Resilienz. Auch wenn viele Fans den Lieblingsbegriff von Daniel Farke vielleicht schon nicht mehr hören können, sollte er an dieser Stelle gerne nochmal herausgehoben werden. Spiele wie dieses unterstreichen die Wichtigkeit der beschworenen Eigenschaft. Eine Eigenschaft, die Borussia in der letzten Saison oft vermissen ließ und in diesem Sommer scheinbar wiederentdeckt hat. Eine Eigenschaft, die Christoph Kramer plötzlich in taktisch und technisch höchst anspruchsvoller Rolle auflaufen lässt. Eine Eigenschaft, die im Hinblick auf die Verletzungssorgen und den weiteren Saisonverlauf noch viel wichtiger werden wird. Und zu guter Letzt übrigens auch eine Eigenschaft, die ein Bundesliga-Trainer, der sich aus Angst vor ungemütlicher Stimmung im Kabinentrakt interviewen lässt, nicht besitzt.


Borussia und allen voran wir Fans nehmen aus diesem Heimsieg vollkommen zurecht eine Menge Euphorie mit. Gleichzeitig sollte jedoch etwas auf die sprichwörtliche Bremse getreten werden. Der Sieg gegen hoch gehandelte Leipziger war in jeglicher Hinsicht überzeugend. Eine Garantie, dass es nun weiterhin überzeugende Auftritte unserer Borussia hagelt, ist dies nicht. Auf Borussia warten im Oktober nun gänzlich anders auftretende Gegner, die allesamt auf ihre eigene Art und Weise enorme Herausforderungen darstellen. Als oberstes Ziel sollte dabei vor allem der Derbysieg auf der Agenda stehen. Mit der notwendigen Seriosität sollte allerdings auch das nun vor der Brust stehende Auswärtsspiel in Bremen angegangen werden. Wir dürfen gespannt sein, wie sich das Team von Daniel Farke gegen diese Gegner, die verglichen mit Leipzig eine gänzlich andere Art Fußball spielen, präsentiert. Uns erwartet ein interessanter und hochgradig wichtiger Oktober, den wir mit einer großen Portion Vorfreude angehen können. Welche Eigenschaft hierfür außerdem am wichtigsten ist, dürfte uns wohl allen klar sein! 😉


P.S.: Ich verabschiede mich am kommenden Wochenende erstmal zwei Wochen in den Urlaub! Schweren Herzens verzichte ich daher u.a. auf das Auswärtsspiel im Weserstadion sowie auf das folgende Derby gegen die Domstadt.


Euch allen wünsche ich eine gute Zeit, viel Spaß bei den Touren und vor allem zwei Siege!

Gemeinsam für Borussia! Alles für den Derbysieg!

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